Freitag, 26. September 2008

My Brightest Diamond in der Manufaktur, Schorndorf am 24.09.08

(Geyst) Pünktlich um 19 Uhr 08 erreichte der ICE den Stuttgarter Hauptbahnhof. Joe stand schon am Gleis und telefonierte. Er musste noch etwas klären. Joe muß immer irgendwas klären. Wir gingen zum Gleis 14, Regionalexpress nach Schorndorf. Unser Ziel war die dortige Manufaktur. Früher, Anfang der siebziger Jahre, waren wir oft in der Manufaktur, Joe und ich und andere. Legendäre Bands haben dort gespielt, Soft Machine, Uriah Heep, Black Sabbath... Ich erinnere mich besonders an ein Konzert mit der Edgar Broughton Band. Es war umsonst, für lau, freier Eintritt also. Free Concert nannte sich das damals.
Die Manufaktur ist ein engagierter Club in der schwäbischen Provinz, mit einem aufregenden, mutigen Programm. Veranstalter in manchen Großstädten könnten viel lernen von diesem Ort. Dieser Mut zeigte sich unter anderem darin, dass sich außer der Manufaktur nur das Lido in Berlin und das Molotow in Hamburg bereit fanden, die New Yorker Ausnahmemusikerin Shara Worden aka My Brightest Diamond zu buchen. Berlin, Hamburg und Schorndorf!
So sahen wir uns also nach etlichen Jahren mal wieder auf dem Stuttgarter Hauptbahnhof um in der Schorndorfer Manufaktur zu einem Konzert von My Brightest Diamond zu gehen. Ich hatte Joe ein paar Links zu YouTube Videos geschickt. Er zeigte sich schnell überzeugt, rief der Plattendealer seines Vertrauens an, Ratzer in Stuttgart, und bestellte zwei CDs von My Brightest Diamond.
Wir waren früh da. Zeit genug, um in der Manufakturkneipe noch einen Wurstsalat und ein Bier zu verzehren. Meine Karte hatte ich per Mail reserviert, aber die Frau an der Kasse bemühte ihre Liste erst gar nicht. Es sei ohnehin nicht ausverkauft.
Der Saal war bestuhlt, locker bestuhlt. Wir saßen an einem Bistrotisch und harrten der Dinge.
Ich gestehe, ich war etwas „enttäuscht“, eine Vorband auf der Bühne zu erblicken. Ich war wegen Shara Worden da. „Clare & The Reasons“ entpuppten sich aber als passender Opener für My Brightest Diamond. Zumal das String Trio von Clare & The Reasons anschließend auch Shara Worden begleitete. Die Musik erinnerte an Varietemelodien, manchmal an Brecht/Weill. Nachdem sie sich für acht Jahre Bush Regierung entschuldigt und beteuerten hatten, sie könnten nichts dafür, sangen sie auf die Melodie von „Over the Rainbow“ (danke Herr Zimmermann) den Namen Obama. Joe beugte sich zu mir und bemerkte, nicht ganz unzutreffend, dies sei nicht allzu weit von Insterburg & Co entfernt. Sehr freundlicher Beifall verabschiedete die ganz in Rot gekleidete Band.

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Clare & The Reasons in rot.

Als sogleich der Umbau begann, an dem sich Shara Worden tatkräftig beteiligte, waren etwa 100 Leute in der Manufaktur. Schnell wurde umgebaut, Mikros und Notenständer mit gestreiften Papierfähnchen behängt (einfach aber effektvoll).
Das Streichertrio war nun schwarz-weiss gekleidet, ebenso Shara Worden. Das Konzert begann mit Golden Star von der ersten CD „Bring Me The Workhorse“. Ohne jedes Posing beeindruckte sofort die Bühnenpräsenz der Musikerin. Sie hatte ihr Publikum sofort, und scheinbar mühelos, für sich eingenommen.

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Shara Worden in schwarzweiss

Es folgte If I Where Queen vom aktuellen, großartigen Album „A Thousand Shark`s Teeth“. Die Songs dieses Albums standen dann auch im Mittelpunkt des Abends. Nach 7 – 8 Stücken erschall aus einer Männerkehle im Publikum der lautstarke Wunsch nach
Gone Away, einer Ballade aus dem ersten Album. Diesem Wunsch wurde sofort entsprochen. „Do You have Gone Away?”, fragte Shara ihre Streicher. “No”, antworteten diese. „We played it some months ago. You must have it, we have a request”, lautete die Antwort. Shara fing sofort an mit dem Song, während die Viola Spielerin noch hektisch die Notenblätter durchforstete. Zum Glück wurde sie schnell fündig. Es wurde ein wahrhaft ergreifender Vortrag dieses Songs, der unter die Haut ging. Ohnehin standen die wundervollen Balladen im Mittelpunkt des Konzerts. Wenn sie in Dragonfly singt „Come and fly away with me“, so will man dieser Einladung eigentlich sofort folgen.
Dennoch wurde auch ordentlich losgerockt und die Band bewies, dass sie es ebenso versteht, wunderbaren Krach zu veranstalten.
Mit einem Streichertrio besteht die Gefahr, einen süßlichen Klang zu erzeugen, der das Bedürfnis nach einer Essiggurke wecken könnte. My Brightest Diamond weiß dies meisterlich zu vermeiden, indem sie mit der, durchaus auch agressiv gespielten, elektrischen Gitarre und dem gelegentlich eingesetzten Drumcomputer ihrer Musik eine quasi großstädtische Note beifügt.

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My Brightest Diamond

Die unglaubliche Stimme der ausgebildeten Opernsängerin steht ohnehin außerhalb jeder Diskussion. Sie ist das tragende Element dieser kammermusikalischen Popsensation.
Die fähnchengeschmückte Bühne verwandelte sich zeitweise in eine Varietebühne. Der Geiger und einzige Mann der Band, zauberte ein Tuch ins Nichts und Shara Worden ein Stoffkaninchen aus einem Zylinder, in den sie es vorher deutlich sichtbar gesteckt hatte.

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Hier wird gezaubert...

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.. und hier auch.

Gegen Ende der Show, zu einem Edith Piaf Cover, wurde dem staunenden Publikum sogar ein Schattenspiel präsentiert. All das war weder aufgesetzt noch peinlich. Es war verspielt, es war lustig und es war allemal sympathischer als jede noch so gigantische Bühnenshow.
Nach ca. 90 Minuten und drei Zugaben ging ein grandioses, unvergessliches Konzert zu Ende.

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Zugabe

Am Merchandising Stand herrschte dichtes Gedränge und ich war glücklich, ihre erste CD zu erblicken, die ich kürzlich in New York vergeblich gesucht hatte. Auf diesem Album firmierte sie noch unter „Awry“, und kam gänzlich ohne Streicher aus.

Joe meinte abschließend, er könne es überhaupt nicht verstehen, weshalb zu einem solchen Konzert nur hundert Leute kämen.

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